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Folgender Aufruf aus dem Jahre 1848 zeigt, daß man schon vor mehr als 150 Jahren große Probleme mit Arbeitslosigkeit in der Region hatte und wie man damals versuchte, das Problem zu lösen.

Abschrift eines Blattes (wahrscheinlich einer Zeitungsbeilage) aus dem Jahre 1848:

Dringende Bitte für die Oberlausitzer Weberdörfer

Es hat sich hier ein Hilfsverein gebildet, der den Zweck hat, den Webern in der sächsischen Oberlausitz durch Vermittlung von landwirtschaftlichen und anderen Arbeiten eine lohnende Beschäftigung zu verschaffen.

Man erinnerte sich daran, daß die Unterstützungen, die im Augenblicke der Not teils in Geld, teils in Lebensmitteln gewährt werden, nur für den Augenblick helfen, häufig auch die Arbeitsscheu vermehren und gelangte zu der Überzeugung, daß nur lohnende Arbeit für die beste Unterstützung angesehen werden könne.

Die Weberei geht immer mehr und mehr zurück und schon stehen Tausende von Stühlen ohne Arbeit.

Auf der anderen Seite finden sich heute in und bei den Weberdörfern, ganz besonders aber in Ackerbau treibenden Gegenden der Provinz, viele viele Acker Landes, die bald aus diesem bald aus jenem Grunde (als Lehde, Busch usw.) noch bis zu diesem Augenblicke wenig oder gar keinen Nutzen gewährt haben, obwohl sie bei anderer Bewirtschaftung und wenn Geld und Arbeit an dieselben verwendet würden, noch manchen Menschen zu nähren geeignet sind.

Auch wird in Ackerbau treibenden Gegenden über Mangel an Arbeitskräften geklagt, sodaß bereits seit Jahren manche Melioration ganz haben unterbleiben müssen.

Hiervon und von der Ansicht ausgehend, daß eine Übersiedlung im Lande besser und wohlfeiler sei, als eine Auswanderung in's Ausland, glaubt der Hilfsverein sein Ziel zu erreichen

  1. durch Unterstützung der Gesuche um eigentümliche Erwerbung von Feldgrundstücken, die sich zum Feldbau eignen, namentlich durch Verrichtung von schriftlichen Arbeiten, die bei Dismembrationen unvermeidlich sind
  2. durch Ausfindigmachung von Pachtfeldern und deren billige Überlassung
  3. durch Ermittlung und Zuweisung von landwirtschaftlichen und anderen Arbeiten
  4. durch Vermittlung von Quartieren in Nichtweberdörfern, wo es an Handwerkern mangelt.

Zu dem Ankaufe von Grundstücken (a) sollen nur ausnahmsweise Geldunterstützungen gewährt werden.

Bei Pachtung (b) soll zunächst auf solches Areal Rücksicht genommen werden, was bisher wenig oder gar keinen Nutzen gewährt hat, was aber bei gehörigem Feldbaue einen größeren Ertrag liefern kann. Zu den ersten Beurbarungs- und Bestellkosten, die sich notwendig machen, sollen aus der Vereinskasse besondere Unterstützungsbeiträge resp. nach Art der Tagelöhner gewährt man es aber in jedem einzelnen Falle vorbehalten bleiben, zu bestimmen, inwieweit dieselben wieder zurückerstattet werden sollen. Die Pachtgelder entrichtet in der Regel jeder Pächter selbst, doch gibt deshalb nötigenfalls der Verein Garantie.

Die Arbeitszuweisung (c) wird nicht bloß auf den Ort selbst, sondern auch, und ganz besonders bei unverheirateten Personen, auf andere Dörfer und auf Dienstboten sich erstrecken, und nach Befinden mit Barunterstützung verbunden werden.

Die Zuweisung von Quartieren in fremden Orten (d) ist vorzugsweise auf verheiratete Personen, die gesund und kräftig, auch arbeitswillig sind, zu sehen. Auch hier sollen bare Geldunterstützungen eintreten können.

Die Mittel, die die Erreichung des gestellten Zieles erfordert, werden teils von den berücksichtigten Webern selbst durch freiwillige Sammlung gedeckt.

Auch sollen die hohe Staatsregierung und die Oberlausitzer Herrn Stände des Landkreises um Beihilfe ersucht werden.

Diesem Vereine haben sich bereits angeschlossen die Gemeinden: Walddorf, Ebersdorf, Eibau, Alt- und Neuebersbach, Alt- und Neugersdorf, Oberleutersdorf, Schönbach, Lawalde und Kottmarsdorf - wo bereits Zweigvereine ins Leben gerufen werden - und werden auch alle anderen Gemeinden der sächsischen Oberlausitz, die von dem Verein eine Linderung des Notstandes erwarten, auf Anmelden gern der Wirksamkeit des Vereins teilhaftig gemacht werden.

Auf diese Weise kann und wird den oberlausitzer Webern am Kräftigsten und dauernd aufgeholfen werden, ohne zugleich die Arbeitsscheu zu vermehren, aus dem Grund und Boden in und bei den Weberdörfern, sowie in Folge der Übersiedlung, in entlegenen Orte wird ein weit höherer Ertrag gewonnen und zugleich in den Orten, wo es an Arbeitskräften gebricht, einem längst gefühlten Mangel abgeholfen werden. Die Weber werden zu den landwirtschaftlichen Arbeiten geschickt und geneigt gemacht und der Überbevölkerung bei der Weberei ein Weg gebahnt in die Ackerbaugegend. So schwierig und groß auch das Ziel ist, welches der Verein sich sonach gestellt hat, so ist derselbe doch durchdrungen von der Überzeugung, daß zur Zeit nur so kräftig geholfen werden könne und hofft man, daß alle diejenigen, welche zur Erreichung dieses Zieles beitragen können, hierzu gewiß gern Mittel und Kräfte bieten werden.

Mit dieser Hoffnung treten wir denn auch vor das Publikum und geht unsere angelegentlichste Bitte dahin:

  1. daß alle diejenigen Grundeigentümer, welche verkäuflichen Grund und Boden besitzen, der sich zu dem angedeuteten Zwecke eignet, dies uns unter Angabe der besten Kaufforderung baldmöglichst anzuzeigen;
  2. daß alle diejenigen Grundeigentümer, welche bisher mehr oder weniger ungenutzten Grund und Boden, der sich zum Feldbau eignet, zu dem angedeuteten Zwecke verpachten wollen, dies uns ebenfalls in der Kürze der Zeit anzumelden;
  3. daß alle diejenigen Grundeigentümer, welche an ihren Grundstücken Verbesserungen vornehmen wollen, es in diesem Jahre tun und die Zahl der erforderlichen Arbeiter und die Bedingungen, die gestellt werden, uns recht bald mitzuteilen;
  4. daß alle diejenigen Grundeigentümer, welche schon zeither Arbeitermangel gefühlt, dies ebenfalls anher kundgeben;
  5. daß diejenigen Gemeinden, wo Quartiere zu Unterbringung von Webern vorhanden, die Gemeinderäte uns ihre Unterstützug nicht versagen; und
  6. daß alle diejenigen, deren Kräfte es irgend erlauben, unseren Verein mit reichlichen Gaben der Milde unterstützen möchten
Künftigen Donnerstag über 14 Tage, den 13. April d. J.

Nachmittags von 2 Uhr ab, wird der Hauptverein in Löbau im Gasthofe zum goldenen Löwen seine Sitzung halten, und werden dazu alle diejenigen, die uns zur Erreichung unseres Zieles ihre Hand bieten wollen, ergebenst einladen.

Übrigens geben wir uns der Hoffnung hin, daß alle Zeitungsredaktionen dieser Bitte eine recht baldige unentgeltliche Aufnahem werden gedeien lassen. - Löbau, den 27. März 1848.

Der Hilfsverein für die Oberlausitzer Weberdörfer.
Friedrich. Fellmer.

Buchempfehlung: Rudolf Hartmetz: Die Oberlausitz. Eine Ortsbestimmung. N.-Auflage. Nachwort von Blaschke, Karlheinz.